Bundesrepublik Deutschland – aktiv im Drohnenkrieg?

Bevor ich auf die Drohnen komme, möchte ich die deutsche Militär- und Machtpolitik kurz skizzieren. Darin ordnen sich dann die Dohnen ein.

Das neue Weißbuch der Bundeswehr, im Selbstverständnis der Bundesregierung das  „oberste sicherheitspolitische Grundlagendokument Deutschlands“ (1) , ist ein Beleg für die Entschlossenheit, den Kurs der Militarisierung der deutschen Außenpolitik weiter voranzutreiben – mehr denn je. Die FAZ titelte: „“Weißbuch: Deutschland als Gestaltungsmacht“(2). Stefan Kornelius resümiert in der Süddeutschen: „Das neue Weißbuch ist – gemessen an seinen Vorgängern – von neuer Klarheit. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Land so deutlich zu seiner führenden Rolle in der Welt (sic!) bekannt und daraus auch eine sicherheitspolitische Verpflichtung abgeleitet.“ (3)

Die ideologische Vorarbeit dazu hatten die Minister von der Leyen und Steinmeier sowie bundespräsident Gauckbereits 2014 geleistet, als sie unisono mehr militärische deutsche „Verantwortung“ einforderten. Beschlüsse, die Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebiets einsetzen zu wollen, fallen fast am Fließband. Afghanistan, Syrien, Nord-Irak und Mali sind Marksteine nur der jüngsten Entwicklung, die unmittelbar nach dem Ende der Blockkonfrontation vor bald 25 Jahren begann. Mit dem Aufbau von sogenannten Krisenreaktionskräften wurde damals ein qualitatives Aufrüstungsprogramm begonnen, in das bisher schätzungsweise 120 Milliarden Euro gesteckt wurden. Militärische Auslandseinsätze wurden durchgeführt, von denen inzwischen 30 als abgeschlossen gelten, 13 sind aktuell mandatiert. Das aktuelle Umrüstungsprogramm in Folge der Aussetzung der Wehrpflicht läuft bis 2017 und soll zwar die Bundeswehrsollstärke von 240.000 auf 175.000 bis 185.000 Soldatinnen und Soldaten reduzieren, aber vor allem die Durchhaltefähigkeit im Ausland stärken. Statt bis dato 7.000 sollen es künftig 11.000 Soldatinnen und Soldaten sein – also ein stolzes Plus von 57 Prozent. Danach soll die Obergrenze von 185.000 Soldaten wieder aufgehoben werden und zunächst um 7.000 steigen.

Das alles im Interesse der Wirtschaft. In den Verteidigungspolitischen  Richtlinien von 2011 heißt es: „Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehört, […] einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen.“ (4) Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen; „Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehört, […] den freien Zugang zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen.“ Auch im neuen Weißbuch ist von Rohstoffsicherung die Rede. Kornelius hebt hervor, dass bei der Interessendefinition Deutschlands „an dritter Stelle bereits – Prosperität und ungehinderter Welthandel“ stehen. „Will heißen“, so der Außenpolitikchef der Süddeutschen: „Die Freiheit der Meere und die Versorgung mit Rohstoffen stehen im Interessenkatalog ganz oben.“ (5)

Über die Bundeswehr soll ein nie da gewesener Geldregen niedergehen. Gleich zwei Ankündigungen müssen die Alarmglocken läuten lassen. Das sind, erstens, das Regierungsvorhaben, die Bundeswehrausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttosozialprodukts anheben zu wollen. Zurzeit sind es 1,2 Prozent, was etwa 35 Milliarden Euro bedeutet. Zwei Prozent würden mindestens 60 Milliarden bedeuten. Damit würde Deutschland an Großbritannien und Frankreich vorbeiziehen und zur führenden Militärmacht Europas werden. Und zweitens, die Ankündigung von der Leyens, bis 2030 130 Milliarden Euro in neue Waffen und Ausrüstungen stecken zu wollen. Das lässt diese Ausgaben um durchschnittlich beinahe zwei Drittel nach oben schnellen. Wir erleben somit gerade eine epochale Weichenstellung.

Damit ist in etwa der Rahmen abgesteckt, in dem Entscheidungen für die Entwicklung und den Einsatz von Drohnen – bewaffnete und unbewaffnete – durch die Bundeswehr fallen.

Drohnen in der Schlüsselrolle

Drohnen kommt im Rüstungskonzept der Bundesregierung eine Schlüsselrolle zu. Bereits vor über zehn Jahren bewertete ein Offizier im Generalstabsdienst der Bundeswehr Drohnen als „Kristallisationspunkt für die Transformation in Bundeswehr und Luftwaffe“.(6) In der „militärischen Luftfahrtstrategie 2016“  des Verteidigungsministeriums, die auf Jahrzehnte angelegt ist, ist nachzulesen, wie Deutschland bei Drohnen an die europäische Spitze drängt: „Die unbemannte Luftfahrt wird als europäische verteidigungsindustrielle Schlüsselkompetenz gesehen, die durch maßgebliche industrielle Beiträge aus Deutschland (…) geprägt werden sollte.“ (7)

Drohnen sind das Kernstück der so genannten Vernetzten Operationsführung der Bundeswehr. Dieses innovative Konzept bedeutet kurz gesagt: Alle Soldaten, ob Kommando im Hauptquartier, Pilot, Panzerfahrer, Infanterist, Kriegsschiff- und U-Boot-Kommandant oder wer auch immer sonst, sollen über ihr Computer-Display zeitgleich dasselbe Lagebild erhalten. Warum? Das verschafft einen Zeitvorteil gegenüber den Gegnern. Zeit für Entscheidungen, um im Krieg zu siegen. Dies setzt Drohnen als Aufklärungsmittel voraus und die sind schon vorhanden. (8) INsgesamt liefern etwa 580 Aufklärungsdrohnen als Bestandteile des Heeres Videos und Fotos in Echtzeit, meist tageszeitunabhängig aus dem Nahbereich und aus Entfernungen von bis zu 100 km. (9) Die deutsche Luftwaffe nutzt seit 2010 darüber hinaus fünf israelisch Aufklärungsdrohnen des Typs HERON 1 (10) in Afghanistan, ab November kommen zusätzlich drei HERON 1 in Bundeswehrdiensten nach Mali. (11)

Das Drohnenarsenal der Bundeswehr soll erheblich erweitert werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, in vier unterscheidliche Drohnenprojekte zur Kriegsführung einzusteigen. Das schleswig-holsteinische Jagel ist für alle Projekte als Standort im Gespräch. Das „Zentrum für Luftoperationen“ in Kalkar wird die Einsätze auf operativer Ebene planen und führen.

Bei den neuen Drohnen geht es um bewaffnete und unbewaffnete Projekte. Zu den unbewaffneten zählen zwei Großdrohnenprojekte.

Unbewaffnete Großdrohnenprojekte

Das sind TRITON und das NATO-AGS. Beide sind so genannte HALE-Drohnen. Das Akronym HALE steht für High Altitude Long Endurance. Das bedeutet große Höhe und lange Ausdauer. Beide Großdrohnentypen haben Reichweiten um 25.000 km und eine Flugdauer von 40 Stunden.

TRITON

TRITON (12) ist eine Großdrohne, die auf der Basis der US-amerikanischen GLOBAL HAWK entwickelt wurde. Ihre Spannweite beträgt etwa 40 Meter.(13)  TRITON ist die Favoritin des Ministeriums, um das Spionagesystem zur Funkaufklärung ISIS (14) aufzunehmen. Dieses Projekt war 2013 an der Nichtzulassung der EUROHAWK gescheitert. 600 Millionen Euro stecken schon in diesem Vorhaben. Allerdings ist ISIS nicht ganz fertig entwickelt. Weitere Testflüge sind notwendig. Zusatzkosten in Höhe von 300 Millionen stehen vor der Bewilligung. (15) Bei ISIS geht es um Elektronische Kampfführung oder auch Signals Intelligence (SIGINT) genannt, was soviel bedeutet wie geheime signalerfassende Aufklärung. Abgehört werden der Funkverkehr, Mobilfunkgespräche und die kabellose Internetnutzung. Zentrales Ziel der Aufklärung – also der Spionage oder Ausspähung – ist das Lauschen im Frequenzband der politischen und militärischen Kommandoführung eines fremden Landes, dessen dessen Profil und Standorte vor der Kriegsphase archiviert werden, um dann während der sich entwickelnden Konfliktphase und des Kriegs auffallende Veränderungen zu erkennen. Dies wird verknüpft mit der Verortung der Ausgespähten. Das ermöglicht es, die gesamte Kommando- und Führungsstruktur eines Landes ausspionieren und orten zu können. Aufgrund der Flughöhe der TRITON – sie fliegt in 20 km Höhe, also weit oberhalb des zivilen Lufftverkehrs – beträgt der Radius der Signalerfassung 600 km. Innerhalb eines Tages ist ein Land von der Größe Griechenlands ausspioniert.

Die Testflüge sollen 2017 beginnen, 2019 wird mit einem Ende der Tests gerechnet. (16) Die Entschlossenheit der Regierung wird durch Folgendes deutlich: Das Verteidigungsministerium hat bereits einen Vorvertrag über den Kauf von drei TRITON mit den USA geschlossen. (17) Kostenpunkt 650 Millionen Euro. Die aktuelle Bundeswehrplanung geht von der Stationierung von fünf  TRITON (18) in Jagel bei Schleswig aus.Die Kosten für das TRITON-Projekt werden sich auf etwa 2,1 Milliarden Euro belaufen. (19) Offensichtlich lässt man es sich was kosten. Fragen sind indessen bisher unbeantwortet: Wozu braucht man das? Und weshalb und so viele?

NATO-AGS

AGS steht für Alliance Ground Surveillance. Am Boden „können (damit) bewegliche Ziele ntdeckt und verfolgt werden, von stationären Zielen werden hochaufgelöste Radarbilder geliefert.“ (20)

NATO-AGS dient somit der konkreten Zielerfassung am Boden. Am NATO-AGS, das sind fünf GLOBALHAWK-Großdrohnen, deren Staionierung Ende dieses Jahres im sizilianischen Sigonella erfolgt sein soll (21), beteiligt sich die Bundesregierung mit einem Drittel an den Kosten, knapp 500 Millionen Euro. Das ist schon überproportional. Darüber hinaus will sich die Bundesreierung ab 2023 aber noch zusätzlich mit nationalen Großdrohnen am NATO-AGS beteiligen. Vier eigene GLOBALHAWK (22) sind in Planung. Auch hierfür kommt nur Jagel als Stationierungsort in Frage.

Grundsatzentscheidungen zu Kampfdrohnen

Die Regierung hat bezüglich der Nutzung von Kampfdrohnen bisher zwei Grundsatzentscheidungen getroffen.

Erstens: Ziel ist die Entwicklung von Kampfdrohnen, die in Europa hergestellt werden, die so genannten

Eurodrohnen

Bis zum Herbst 2018 soll eine Definitionsstudie erstellt werden, welche auslotet, was eine solche Drohne leisten kann und wie teuer sie wird. Daran beteiligen sich Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien und die Firmen Airbus Defence & Space (ADAS), Dassault (Frankreich) und Alenia (Italien).  Die Gesamtkosten des Projekts liegen über einer Milliarde Euro (23) Schon allein die Studie kostet 83 Millionen, wovon Deutschland mit 31 Prozent den größten Anteil übernimmt. Daraus leitet die Bundesregierung eine Führungsrolle ab, so dass Airbus die Leitung des Konsortiums innehat.

Bei der „Eurodrohne“ handelt es sich um eine MALE-Drohne (Medium Altitude Long Endurance – Mittlere Flughöhe und lange Ausdauer), die sich in Flughöhen bis zu 15 km bewegen und mindestens 24 Stunden ununterbrochen fliegen soll. Sie soll eine Lizenz zum uneingeschränkten Betrieb in allen europäischen Lufträumen erhalten. Wird die Definitionsstudie gebilligt, beginnt ab Herbst 2018 die Entwicklungsphase, der sich die Realisierungsphase anschließt. Die Kampfdrohnen sollen ab 2025 fliegen. (24)

Die Europäische Verteidigungsagentur weist den „Eurodrohnen“ folgende Aufgaben zu: in Kämpfe eingreifen zu können, aber auch für Heimatschutz, Grenzschutz und Brandbekämpfung einsetzbar zu sein. (25) Da diese Kampfdrohnen sich im europäischen Luftraum bewegen sollen, werden sie in Jagel starten und landen. Jagel ist spätestens seit 2008 dafür in der öffentlichen Diskussion. (26) In Kalkar wird das Kommando ansässig sein.

Kampfdrohne HERON TP

Bis diese europäische Lösung zur Verfügung steht, sollen als Übergangslösung „bewaffnungsfähige“ Drohnen gemietet werden, und zwar bis zu 16 Exemplare.

Der Generlinspekteur der Bundeswehr hat sich im Januar entschieden, dass Verhandlungen mit der israelischen Firma IAI über das Leasing von Kampfdrohnen des Typs HERON TP aufgenommen werden. Die Regierung will zunächst fünf HERON TP mieten. Der Vertrag soll einen Wert von 580 Millionen Euro haben. Airbus (27), als Partnerfirma von IAI, ist für die Vermarktung zuständig und wird das technische Personal zur Instandhaltung der Drohne stellen.

Die HERON  TP ist auch eine MALE-Drohne mit einer maximalen Flughöhe von 13.7 km. Sie kann maximal 30 Stunden in der Luft bleiben und bis zu einer Tonne Bomben und Raketen tragen. (28) Mit einer Spannweite von 26 Metern  (29) ist sie derzeit die größte Kampfdrohne der Welt. (30)

Außer der HERON TP standen noch die Aufklärungsdrohne HERON 1 zur Auswahl, für die eine Bewaffnungsfähigkeit geprüft wurde, sowie die noch in der Entwicklung befindliche US-amerikanische GUARDIAN EAGLE. (31) Diese verfügt über die Besonderheiten, dass sie in Europa starten und landen können soll, und der Hersteller General Atomics machte das Angebot, dass sämtlicher Datenfluss zwischen Drohne, Satellit und Bodenstation mit deutscher nationaler Verschlüsselungstechnik versehen werden könnte. (32) Damit sollte die Befürchtung der Deutschen, dass sämtliche mit der US-Drohne gewonnenen Daten direkt bei der NSA landen, aus der Welt geschafft werden. Die Nutzlast dieser US-Kampfdrohne liegt sogar dreimal höher als die der israelischen. (33)

Auch nicht unwichtig: Sämtliche Drohnennutzerstaaten in Europa betreiben Drohnen von General Atomics. Großbritannien hat erst jüngst 20 GUARDIAN EAGLE dort bestellt.

Trotz dieser Fakten, die für die US-Drohne sprechen würden, fiel die Wahl auf die HERON TP. Weshalb? Angeblich wegen einer früheren Lieferbarkeit von eineinhalb Jahren. So steht es auf der Homepage des Verteidigungsministeriums. (34) Eine später erfolgte Anfrage der LINKEN brachte jedoch hervor, dass die Entwicklung der „Eurodrohne“, bei der Airbus entsprechend deutschen Wünschen der Hauptauftragnehmer ist, ausschlaggebend war. Denn, so die Bundesregierung, „die Entscheidung für das System HERON TP führt zum Aufbau realen industriellen Know-hows bei europäischen Unternehmen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für die angestrebte Eurodrohne.“ (35)

Wann ist mit einer Realisierung zu rechnen? In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN, die m 19.August veröffentlicht wurde, teilte die Regierung mit, dass sie nach einer parlamentarishen Befassung (im Haushalts- und Verteidigungsausschuss) damit rechnet, den Leasing-Vertrag mit Airbus Anfang 2017 unterzeichnen zu können. Kaum war diese Festlegung in der Welt, machte ihr jedoch die Herstellerfirma der GUARDIAN EAGLE, General Atomics, einen Strich durch die Rechnung. Sie legte Ende August eine Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. General Atomics klagt gegen die Entscheidung des Ministeriums. Das Verfahren dürfte drei bis neun Monate dauern, teilte die Regierung mit – und hat aufschiebende Wirkung. (36) Das bedeutet für den Zeitrahmen: Allerfrühestens im April 2017 wird mit dem Parlamentsbeschluss zu rechnen sein. Spekuliert wird auch, dass die parlamentarische Befassung – wegen der Brisanz des Themas – auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben wird.

Die Vereinbarungen sehen vor, dass 24 Monate nach Vertragsschluss die zwei ersten HERON TP fliegen sollen, also allerfrühestens im April 2019 – wahrscheinlich aber eher später. Ihre Bewaffnung, auszugehen ist von Raketen und Bomben israelischer Herkunft, erfolgt wiederum drei Monate später. Welche Typen das sein werden, unterliegt der strikten israelischen Geheimhaltungsvorschrift. Es sollen diejenigen sein, die Israel schon jetzt mit seinen HERON TP verwendet.

Die Frage ist, werden die HERON TP auch über Deutschland fliegen? Die Frage lässt sich derzeit gar nicht mehr so klar beantworten, wie es zunächst schien. Auf der Homepage des BMVg liest sich die Sache bis .heute sehr klar: „Die Drohnen werden in Israel stationiert. Als deutscher Heimatverband ist das Taktische Lustwaffengeschwader 51 im schleswig-holsteinischen Jagel vorgesehen. Die Ausbildung findet in bewährter Art und Weise in Israel und simulatorgestützt auch in Jagel statt.“ (37) Der Schluss liegt nahe: Die Drohnen sind in Israel und werden von dort in die Einsatzgebiete geflogen und dann von dort gesteuert. Nach Deutschland würden sie demnach nicht kommen. Allerdings würde die angestrebte überall gültige Zulassung einen Flug in Deutschland durchaus erlauben. Das Ministerium gibt an:

„Angestrebt wird eine Zulassung nach Kategorie 2, die den Betrieb in gesperrten Lufträumen erlaubt, aber auch, ohne dass dafür am Boden ein Sperrgebiet eingerichtet werden muss.“ (38) Und: „Es besteht zurzeit keine Absicht, das System HERON TP unbeschränkt am allgemeinen Luftverkehr teilnehmen zu lassen (Kategorie 3).“ (39) Im Klartext, der Flug von HERON TP über Deutschland ist also nicht ausgeschlossen – der genutzte Luftraum müsste allerdings so lange gesperrt werden.

In jedem Fall wird jedoch das Taktische Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ ihr Heimatverband sein, ob sie nun hier fliegen oder nicht. In Kalkar werden die konkreten Einsätze geplant und auch geführt werden.

Kampfdrohnen wofür?

Ministerin von der Leyen machte zu Kampfdrohnen eine bemerkenswerte perspektivische Aussage: „Es wird um eine bewaffnungsfähige Drohne gehen. Das wird für die Zukunft Standard sein.“ (40)

Was will die Regierung überhaupt mit diesem komplett neuen Waffentyp, der von den USA vor allem zum so genannten gezielten Töten, sprich Hinrichtungen, eingesetzt wird? Ohne Gerichtsverfahren, ohne Verteidigung, heimtückisch. Also als Mordinstrument. Die Anwendung des so genannten „gezielten“ Tötens ist bei uns verboten, denn schließlich ist die Todesstrafe bei uns abgeschafft.

So geben Luftwaffe und Bundesregierung auch an, Kampfdrohnen auf keinen Fall für die Menschenjagd einsetzen zu wollen. Ministerin von der Leyen sagte anlässlich der HERON-TP-Entscheidung: „Sie (die Drohne, L.H.) ist wichtig für den Schutz der Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen.“ (41) Von der Leyen geht es um den unmittelbaren, also ohne Zeitverzug ausgeführten Angriff auf Bedrohungen von im Einsatz befindlichen Soldatinnen und Soldaten auf Patrouillengängen. Das ist jedoch nur eine Teilwahrheit. Weitergehende Szenarien sind bereits angedacht. So zum Beispiel der Einsatz dieser Kampfdrohnen zur Absicherung von Flugverbotszonen, ihr Einsatz im Gefechtsfeld zur Sicherung von erobertem Gebiet, im Stadtkampf und auf See.

Weiter in der Zukunft liegende Szenarien befassen sich mit dem Luftkampf ganzer Kampfdrohnenschwärme. Zurzeit prüft General Atomics, iin ihrer AVENGER-Drohne einen Festkörperlaser einzubauen, mit dem sich in Lichtgeschwindigkeit Flugzeuge und Drohnen angreifen lassen. (42) Im nächsten Jahr schon soll das Angebot stehen.

Von sehr großer Bedeutung ist die Feststellung, dass die Kampfdrohnenentwicklung darauf abzielt, Kampfflugzeuge und Kampfhelikopter durch Kampfdrohnen zu ersetzen.

Auch Entwicklungen mit anderen Drohnentypen lassen Schlimmes befürchten. Schon heute werden programmierte Formationsflüge mit Mini-Drohnen erprobt, die untereinander kommunizieren und zudem anzugreifende Objekte am Boden identifizieren können. Diese Ziele könnten dann von diesen Mini-Drohnen beschossen werden, wenn sie mit geringen Mengen Sprengstoff beladen sind. Also Kamikaze-Angriffe im Schwarm (43) Solche Aussichten müssen beunruhigen.

Ist der Weg hin zu autonomen Kampfdrohnen unaufhaltsam?

Das ist auch der Bundesregierung klar. Deshalb ihre Festlegung im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013: „Deutschland wird sich für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme einsetzen, die dem Menschen die Entscheidung über den Waffeneinsetz entziehen.“ (44) Die Verteidigungsminister de Maizière und von der Leyen haben immer wieder beteuert, dass immer ein Mensch über den Waffeneinsatz entscheiden würde. Daraus könnte man die Schlussfolgerung ziehen, dass eigentlich alles in Ordnung ist und jegliche Ablehnung von Kampfdrohnen Unsinn, denn alles scheint unter Kontrolle.

Wenn das tatsächlich so wäre, dann muss man sich jedoch fragen, weshalb zum Beispiel der Vertreter der Stiftung Wissenschaft und Politik – dem zentralen außenpolitischen Think-Tank der Bundesregierung – der Physiker Dr.Marcel Dickow, während der öffentlichen Bundestagsanhörung zur Kampfdrohnenbeschaffung im Juni 2014 die Regierung vor der Nutzung von Kampfdrohnen warnte. Dickow sieht durch die Nutzung von Kampfdrohnen die Entwicklung in Richtung Drohnen-Autonomie beschritten. Er schrieb in seiner Stellungnahme: „So wie sich der Trend zur Bewaffnung unbemannter Luftfahrzeuge in vergangnen Jahren nicht hat aufhalten lassen, so wird ihr Pfad in die Autonomie – nach derzeitigem Kenntnisstand – nicht zu stoppen sein. Die Kombination aus zunehmender Autonomie  und Bewaffnung verdrängt den Menschen aus dem Entscheidungsprozess zum operativen Gewalteinsatz.“  Und: „Wer glaubt, solche autonomen oder teilautonomen Funktionen mit Verbindung zum Waffeneinsatz durch eine definitorische Grenze ausschließen zu können, verkennt die bereits heute stattfindende Nutzung von Assistenzsystemen in der Militärtechnologie.“ (45) Dickows Schlussfolgerung: „Weil sich […] der technologisch Trend nicht stoppen lassen wird, ist von der Bewaffnung solcher Systeme abzuraten.“ (46)

Am Ende dieser Entwicklung kann kein Mensch mehr für die Fehler der Killerdrohne haftbar gemacht werden, kein Programmierer, kein Pilot, kein Schütze. Auch die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute mahnen: „Wir wiederholen unsere Forderung, Kampfdrohnen völkerrechtlich zu ächten. Wir halten es für dringend geboten, der Entwicklung derartiger Waffensysteme einen Riegel vorzuschieben, bevor sie eine fatale Eigendynamik entfalten.“ (47) Wohl gemerkt, sie sprechen sich für die Ächtung schon der Kampfdrohnen von heute aus, nicht erst für die Ächtung zukünftiger autonomer Systeme.

Wie real dieser Trend zur Autonmie tatsächlich schon ist, zeigt die US-Entwicklung. Einem Strategiepapier des Pentagon zufolge, das die Zeitspanne eines Vierteljahrhunderts bis 2038 (48) umfasst, planen die USA, Drohnen eine zentrale Rolle in der Kriegführung zu geben und sie, so wörtlich, „für alle Arten von Eventualitäten einzusetzen.“ (49) Dem Strategiepapier ist zu entnehmen, dass das US-Militär tatsächlich langfristig unbemannten Systemen auch Autonomie – also die Fähigkeit, eigenständige Entscheidungen ohne menschliches Zutun zu treffen – verleihen will. Darunter fällt ausdrücklich auch der Einsatz von Waffen. (50) Im Bericht heißt es wörtlich: „Die Autonomie unbemannter Systeme wird in zukünftigen Konflikten […] von entscheidender Bedeutung sein.“ Perspektivisch formulieren die Pentagon-Strategen:“Generell entwickelt sich die Forschung weg von automatischen Systemen, die menschlicher Kontrolle bedürfen, hin zu autonomen Systemen, die ohne menschlichen Einfluss entscheiden und reagieren.“ (51) Das Pentagon-Papier geht davon aus, dass autonome Systeme eines Tages „allgegenwärtig“ sein werden.

Nachweise:

  1. Ursula von der Leyen, Weißbuch 2016, 143 Seiten, Vorbemerkung, S.15, www.BMVg.de
  2. FAZ 27.5.2016, Seite 1
  3. Süddeutsche Zeitung, 13.6.2016
  4. Bundesminister der Verteidigung, Verteidigungspolitische Richtlinien, 27.Mai 2011, 20 Seiten; VPR
  5. ebenda. Zuerst stehen: (1) Schutz der Bürger und des Landes, (2) Schutz der Verbündeten
  6. Michael Trautermann, Oberstleutnant i.G., Unmanned Aeirial Vehicles, Strategie und Technik, November 2005, S.41
  7. BMVg, Militärische Luftfahrtstrategie 2016, 46 Seiten, S.40. Gemeint ist: „Selbstanspruch Generalunternehmer mit Knowhow, Sicherung v.a. bei Zulassung und Integration in den kontrollierten Luftraum“
  8. Drohnen der Bundeswehr, Stand 20.8.14, 163 MIKADO im Nahbereich bis 500 m, sowie 43 KZO, 290 ALADIN und 84 LUNa mit Reichweiten von jeweils bis zu 100 km Entfernung. www.bundeswehr.de
  9. Diese Schar soll an 2020 modernisiert und ersetzt werden. Dieses Projekt nennt sich HUSAR
  10. Startmasse 1,1 t, Flughöhe bis 10 km, Radius 400 km, Flugdauer 24 h
  11. Zeitplan zur Beschaffung von fünf bewaffnungsfähigen Drohnen der MALE-Klasse, Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der LINKEN, Drucksache 18/9431 vom 19.8.2016, 15 Seiten, S.9; http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18(094/1809431.pdf
  12. Typenbezeichnung MQ 4C. Länge 14,5 m, Spannweite 39,89 m, 637 km/h, Dienstgipfelhöhe 19.811 m, Überführungsreichweite 22.780 km, Flugdauer bis zu 40 Stunden. Bei Luftbetankbarkeit länger
  13. Auferstehung des Isis. FAZ 4.7.2015
  14. ISIS:Integriertes SIGINT-System
  15. Spiegel-online 31.5.2016, 280 Millionen sollen die ISIS-Tests kosten; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-euro-hawk-debakel-kostet-weitere-300-millionen-a-1095050.html
  16. ebenda
  17. ebenda
  18. Großgeräteliste, SLWÜA System der signalerfassenden luftgestützten, weiträumigen Überwachung und Aufklärung: HALE-Drohne, 27.1.2016, augengeradeaus.net/2016/01/die-neue-grossgeraeteliste-weg-von-den-obergrenzen/
  19. darin: ISIS-Entwicklung bisher 270 Mio. künftig zusätzlich 289 Mio., 4 ISIS 110 Mio., 5 Triton ca. 1,1 Mrd. Euro. Die EUROHAWK schlägt mit 330 Mio.Euro zu Buche. Siehe www.spiegel.de, 16.7.2015
  20. Europäische Sicherheit & Technik, Heft 9/2012, S.81
  21. Matthias Monroy, NATO-Drohnenprogramm: Alle fünf „Global Hawk“ werden 2016 auf Sizilien stationiert, 26.1.2016; www.heise.de
  22. Großgeräteliste, GlobalHawk (Bestellung AGS)
  23. Matthias Monroy, 5.7.2016, https://netzpolitik.org/2016(airbus-knackt-den-jackpot-deutscher-ruestungskonzern-fuehrtkonsortium-fuer-europaeisches-drohnenprojekt
  24. Spiegel online, 2.5.15 ,Ursula von der Leyen unterzeichnet Vorvertrag für Bundeswehr
  25. Marius Pletsch, Eine Drohne für Europa, IMI-Studie 26.1.2016. 12 Seiten, S.8, zitiert die Europ#ische Verteidigungsagentur (EDA) (12.6.2015).Vgl. dort Fußnote 73
  26. HERON TP, 20.11.2008; http://www.geopowers.com/Machte/Deutschland/Rustung/Rustung_2008/rustung_2008.html
  27. Airbus DS Airborne Solutions (ADAS), Sebaldsbrücker Heerstr.235, 28309 Bremen; http://militaryaircraftairbusds.com/AirborneSolutions/Locations.aspx
  28. Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der LINKEN, BT-Drucksache 18/7426. 24.2.2016, 19 Seiten, S.5
  29. Bundesverteidigungsministerium (BMVg), Überblick: Die Drohne HERON TP, 13.1.2016; www.bundeswehr.de
  30. Sie überragt die US-a,erikanischen REAPER-Kampfdrohnen um knapp fünf Meter in der Spannweite und um drei Meter in der Länge
  31. Vgl. Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr.Brauksiepe auf eine Anfrage von Dr.Neu (MdB DIE LINKE), Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/148 vom 13.1.2016, 68 Seiten, S.63, Anlage 13
  32. „Predator B bietet viele Vorteile“, INterview mit Chris Ames, Direktor für intrnationale Strategische Entwicklungen von General Atomics Aeronautical Systems, Inc.. IM: Europ#ische Sicherheit & Technik, Juli 2015, S.80-82, S.81
  33. Europäische Sicherheit & Technik, Juli 2015, S.81
  34. BMVg, Überblick: Die Drohne HERON  TP, 13.1.2016
  35. BT-Drucksache 18/7426. 24.2.2016, 19 Seiten, S.16
  36. Augengeradeaus, 30.8.2016; http://augengeradeaus.net/2016/08/dronewatch-predator-hersteller-klagt-gegen-drohnenentscheidung-der-bundeswehr/
  37. BMVg, Überblick: Die Drohne HERON TP, 13.1.2016
  38. Augengeradeaus, 22.6.2016; augengeradeaus.net/2016/06/bndeswehr-kommt-einfuehrung-einer-bewaffnetendrohne-naeher-vereinbrung-zur-zulassung-vor-unterschrift/
  39. Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der LINKEN, Drucksache 18/9431 vom 19.8.2016, 15 Seiten, S.8; http://dipbt/bundestag.de/dip21/btd/18/094/1809431
  40. NDR Info, Streitkräfte und Strategien, 16.1.2016
  41. ebenda
  42. Florian Rötzer, Drohnen mit Laserwaffen24.9.2015; www.heise.de
  43. Spiegel online, 15.4.2015, US-Marine will Drohnenschwärme kämpfen lassen
  44. Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 2013, 185 Seiten, S.178
  45. Schriftliche Stellungnahme von Dr.Marcel Dickow, Forschungsgruppe Sicherheitspolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik, Öffentliche Anhörung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags am 30.6.2014, 10 Seiten, S.8
  46. Dickow, S.9
  47. Friedensgutachten 2013, Münster 2013, 324 Seiten, S.6
  48. Freigegeben von James A. Winnefeld Jr., Stellvertr. Vors. des US-Generalstabs, Frank Kendall, Stelvertr. US-Verteidigungsminiter, 168 Seiten; http://www.defense.gov/pubs/DOD-USRM-2013.pdf
  49. Spiegel online, 3.1.2014, Pentagon bastelt an denkenden Drohnen; www.spiegel.de
  50. ebenda
  51. ebenda

LÜHR HENKEN, Berlin, Co-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.friedensratschlag.de), Gründungsmitglied der bundesweiten  Drohnen-Kampagne (www.drohnen-kampagne.de)