Viele Akteure haben in Köln an den 80. Jahrestag der Bücherverbrennung erinnert: Das Friedensforum hat, zusammen mit anderen Organisationen, in einem sehr gelungenen Konzert Lieder und Texte der verbrannten und verbotenen Autoren lebendig werden lassen; Studenten haben eine Ganztagslesung einschlägiger Texte vor der Uni organisiert (sie fand unbeeindruckt vom strömenden Regen statt); die Fachhochschule veranstaltet jährlich einen Gedenkakt, der in diesem Jahr auch die Musikhochschule und die Universität einbezog. Bei dieser Veranstaltung hielt die Studentin Agnes Kamerichs vom Arbeitskreis Zivilklausel an der Universität Köln eine Rede zur Aktualität Bertha von Suttners, die wir hier in Auszügen dokumentieren. Wir teilen die Intention, dass antifaschistisches Gedenken zum Handeln verpflichtet.
Agnes Kamerichs am 17.Mai 2013 in der Fachhochschule Köln:
Das humanistische Wirken der Künstlerinnen und Künstler gegen den aufkommenden Faschismus und die Aufklärung für eine emnschliche Welt ohne Krieg widerlegten die zynische und menschenverachtende Hetze der Nazis. Die Nazis wollten diese Wrke vernichten, weil sie ihren Zwecken im Weg standen. So wurden beispielsweise die Schriften von Erich Maria Remarque mit den Ruf „Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit!“ verbrannt. Ein ähnliche hätte auch geäußert werden können, als die Bücher von Bertha von Suttner verbrannt wurden. Auch ihr Wirken und ihre Werke straften die Glorifizierung von Soldatentum, Militarismus und Krieg Lügen…
(Bertha von Suttner kämpfte) mit ihren Werken … für eine Welt des Friedens – gegen einen gerüsteten Waffenstillstand ebenso wie gegen den offenen Krieg. Angebliche Sachzwänge wi, dass man immer mehr rüsten müsse, da des der Feind ebenfalss tue, entlarvte sie ls interessengeleitete Phrasen. Überzeugt war sie davon dass nur Militarismus, diesem zuarbeitende Presse. geschürte Angst und geschürter Hass einem echten Frieden entgegenstanden. … (Ihr) Ziel und ihre Wirken ist in Zeiten wie heute – in denen fast 6000 Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen sind, u.a. im Krieg in Afghanistan, und in denen in den Verteidigungspolitischen Richtlinien festgelegt wird, dass es zu ihren Zielen gehört, „den freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen“ – höchst aktuell.
Bertha von Suttner verdeutlichte, welche positiven gesellschaftlichen Möglichkeiten realisiert werden könnten, wenn nicht Geld, Gedanken als menschliche Arbeit auf kriegerische Zwecke ausgerichtet wären.So schrieb sie 1895 folgendes: „Man denke sich all diese Kräfte iim Dienste des Friedens tätig … – wie könnte die leere Phrase ‚Zivilisation und Menschlichkeit‘ zum Ausdruck beglückender Wahrheit werden!“ Zum Vergleich: das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI beziffert die weltweiten Rüstungsausgaben für das Jahr 2012 auf 1,33 Billionen Euro. Bertha von Suttner wollte Frieden schaffen – ohne Waffen.
Auch konkret in den Hochschulen lässt sich für die heutige Zeit aus ihren Werken schöpfen: In ihrer Schrift „Die Barbarisierung der Luft“ aus dem Jahr 1912 problematisiert sie, wie technischer Fortschritt für neue Kriegstechnologie statt für eine Verbesserung des menschlichen Lebens missbraucht wird. Sie ergänzt dazu: „Bekanntlich sind aber die Friedenskassen leer; nur bei den Kriegsministeriien ist finanzielle Fördrung zu haben.“ Damit ist die Frage gestellt, wer ein Interesse an technischem Fortschritt hat und wer ihn finanziert. Diese Frage stellt sich auch heute, in Zeiten, in denen der Hochschulverband „Drittmittel“ als „Fetisch des Wissenschaftsbetriebs“ charkaterisiert. (Zur Unparteilichkeit von Wissenschaft, Resolution vom 20.März 2012)
Als Arbeitskreis Zivilklausel wirken wir an der Uni Köln (und viele andere Arbeitskreise an ihren Hochschulen) für eine gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaft. Eine, die die Folgen ihrer Erkenntnisse reflektiert und aufklärend und erhellend für sozialen Fortschritt und eine menschenwürdiege Gesellschaftsentwicklung und Frieden eingreift. Im letzten Jahr ist in Bezug auf Zivilklauseln bundesweit einiges in Bewegung gekommen. An sechs Hochschulen sind neue Zivilklauseln auf Grund des Engagements von Zivilklauselaktiven, Studierenden, MitarbeiterInnen und GewerkschafterInnen eingeführt worden, nämlich an der TU Darmstadt, den Unis Frankfurt und Göttingen sowie an den Hochschulen im Bundesland Bremen. Mittlerweile gibt es damit 14 Hochschulen mit Zivilklauseln. Bundesweit wird an den Hochschulen für eine zivile Wissenschaft gestritten, bei mehreren Abstimmungen hat sich stets eine eindeutige Mehrheit der Studierenden für Zivilkluseln ausgesprochen. Trotz und gegen Uni-Angst und Uni-Bluff, Leistungs- und Konkurrenzdruck sowie dem realen Problem der Kürzungspolitik ist es gelungen, vom Anliegen einer Humanisierung der Lebensverhältnisse und einer zivilen Entwicklung der Welt zu überzeugen.
Heute wird hier der Bücherverbrennung gedacht, gestern haben an der Universität Lesungen aus den verbrannten Büchern unter dem Motto „Mit den Waffen des Geistes gegen den Geist der Waffen“ stattgefunden. Gegen den von den Nazis propagierten „deutschen Geist“, gegen jede menschenverachtende Ideologie und Praxis stellen wir uns in die Tradition der antifaschistischen Kämpfe und der Aufklärung für eine menschenfreundliche und zivile Welt.
… Selbst der Faschismsu konnte die Ansprüche an eine humane Entwicklung der Welt nicht vernichten. Die Befreiung gelang. Eine Welt des Friedens ist möglich, sie muss von Menschen geschaffen werden. Das Erinnern und Gedenken an die Bücherverbrennung bedeutet in diesem Sinne heute das Wirken und Eingreifen für eine Humanisierung des Lebensverhältnisse und Frieden. Das Wirken Bertha von Suttners steht für diese Möglichkeit.
Nie wieder brennende Bücher. Nie wieder Faschismus.Nie wieder Krieg.