Wir trauern um Ursula Forner

 

 

 

Liebe Trauergemeinde, liebe Angehörige von Ursula,

Ursula, unsere langjährige Mitstreiterin, ist von uns gegangen. Wir vermissen sie alle sehr. Im Namen des Arbeitskreises Hiroshima Nagasaki möchte ich den Angehörigen mein herzliches Beileid aussprechen.
Im Andenken an Ursula habe ich diesen besonders großen Kranich aus Transparentpapier gefaltet, weil er mit einer schönen Erinnerung an sie verbunden ist. Im letzten Sommer saßen wir zu mehreren im Garten und falteten viele solcher Kraniche in Vorbereitung auf unser alljährliches Gedenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Immer gehörte Ursula zu denjenigen, die es organisierten. Die Sonne schien, wir erzählten uns was und lachten und es war eine gute Stimmung. Ursula erzählte aus ihrem Leben und wie ihr Friedensengagement begann.

Zur Bedeutung dieses Kranichs: Es gibt die Geschichte von Sadako, ein junges japanisches Mädchen, das die Atombombenabwürfe überlebte, aber dann an Leukämie erkrankte. Sadako faltete 1000 Origami Kraniche, um wieder gesund zu werden, denn in Japan heißt es, wer 1000 Kraniche faltet hat bei den Göttern einen Wunsch frei. Der Kranich ist dort ein Symbol des Glücks und der Langlebigkeit. Leider starb sie, doch der Kranich wurde zum Zeichen für den Frieden in einer atomwaffenfreien Welt.
Nur eine Welt ohne Atomwaffen kann uns vor einer weiteren atomaren Katastrophe schützen – das war Ursulas tiefe Überzeugung.
In diesem Sinne möchte ich den Kranich zu ihrer Urne legen.

Ursula ist an der Gründung des Hiroshima-Nagasaki-Arbeitskreises maßgeblich beteiligt. In gewisser Weise war der Arbeitskreis ihr politisches Kind und er lag ihr am Herzen. Sie konnte die ganze Geschichte von Anfang an aus eigenem Erleben erzählen und tat es auch immer wieder sehr gerne. Sie war stolz darauf.

Eine besondere Rolle bei der Entstehung des AKs spielte Kazuo Soda, ein Überlebender der atomaren Katastrophe von Nagasaki. Sie lernte ihn an der Kölner Klagemauer kennen, die von Walter Herrmann initiiert worden war. Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht noch an diese Klagemauer. An Wäscheleinen aufgehängte Papptafeln enthielten politische Statements von Passanten. Auch Prominente wie der Dalai Lama, Ernesto Cardenal, Lew Kopelew oder Klaus Staeck haben solche Papptafeln beschrieben. Sie notierten darauf ihre Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit oder ihren Protest gegen Krieg.

Also hier lernte Ursula Kazuo Soda kennen. Seine leidvolle Erfahrung als Überlebender der Atombombenabwürfe und sein daraus resultierendes Friedensengagement sprachen sie an. Sie hat ihn auch bei sich zu Hause beherbergt. Viele Jahre kam er zu den Gedenkveranstaltungen auf die Domplatte und zum Hiroshima Nagasaki Park und hielt dort Jahr für Jahr eine Rede für den Frieden in einer atomwaffenfreien Welt. Ursula fühlte sich ihm sehr verbunden.

Dass es den Hiroshima-Nagasaki-Park mit dem schönen Gedenkstein überhaupt gibt, das ist unter anderen, natürlich niemals sie allein, aber auch mit Ursulas Verdienst. Der Park liegt sehr schön im Grüngürtel in der Nähe des Museums für ostasiatische Kunst und des Japanischen Kulturinstituts. Für viele Menschen ist er eine Freizeitoase. Seine Einweihung 2004 war ein großes Fest, ebenso die Enthüllung des Mahnmals „Atomwaffen abschaffen“ im Jahr 2007.

So unermüdlich, wie sich Ursula zusammen mit anderen für den Park und das Mahnmal einsetzte, so unermüdlich ging sie auch alle anderen Ziele des Arbeitskreises an. Sie telefonierte mit möglichen Rednern für die Gedenkveranstaltungen und machte den Schriftverkehr mit der Stadt, wenn es beispielsweise um den Flaggentag der Mayors for peace ging. Mit dem Hissen der Flagge am 8. Juli jedes Jahres setzen bundesweit Bürgermeister und Bürgermeisterinnen vor ihren Rathäusern ein sichtbares Zeichen für eine friedliche Welt ohne Atomwaffen. Seit 1985 ist Köln bereits Mitglied im Hiroshima-Nagasaki-Bündnis, aber es brauchte viel beharrliches Werben, bis nun auch die Stadt Köln alljährlich diese Flagge hisst.

Ein Meilenstein auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt war für Ursula der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) und nicht nur für sie, sondern für uns alle. Er wurde 2017 in den Vereinten Nationen von 122 Staaten angenommen und trat am 22. Januar 2021 in Kraft.  Ausgerechnet an ihrem 85. Geburtstag, ein Grund doppelt zu feiern. Die atomwaffenfreien Staaten wollen die Dominanz der Atommächte nicht mehr hinnehmen und drängen auf Abrüstung. Ursula wusste natürlich, dass es noch ein langer Kampf sein würde, bis die Großmächte bereit wären, endlich in Abrüstungsverhandlungen einzutreten, um alle Atomwaffen zu vernichten.

Heute ist das ungezügelte Wettrüsten bedrohlicher denn je, obwohl der Verbotsvertrag tatsächlich völkerrechtlich bindend ist. Alle Atomverträge sind aufgekündigt, Atomwaffen werden modernisiert, die Vorwarnzeiten werden immer kürzer. Die Konkurrenz zwischen den Großmächten USA, China und Russland nimmt beunruhigende Formen an. Es machte Ursula Angst. Es machte ihr Angst, weil sie, die 1936 geboren ist, Krieg und Faschismus und seine Folgen kennengelernt hat. Umso mehr wusste sie, dass wir dranbleiben müssen, nicht resignieren, Widerstand leisten, denn nur Widerstand bringt Zuversicht. „We shall overcome“ – das war ihre Devise.

Wir danken Ursula für die gute Energie, die sie unserem Hiroshima – Nagasaki Arbeitskreis gegeben hat. Wir danken ihr für ihre stille Freundlichkeit, für ihr Lächeln und für ihren entschlossenen Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt. Sie hinterlässt im Arbeitskreis eine große Lücke.

Ursula fehlt uns.