Zunächst: „Flüchtlinge“ – das ist eine Gruppe von Menschen mit sehr verschiedenem Status. Allen gemeinsam ist das Ziel, ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Seit einigen Jahren kommen zunehmend Flüchtlinge nach Köln.
Im Jahr 2012 sind 655 Menschen mit „Aufenthaltsgestattung“ neu nach Köln zugewiesen worden, 2013 werden es wohl über 800 sein. Bundesweit steigt die Anzahl der zugewiesenen Flüchtlinge, deshalb werden auch in NRW und in Köln zunehmend Menschen, die auf der Flucht sind, zugewiesen.
In Köln gibt es etwa 3700 Flüchtlinge mit dem Status „Duldung“ (4 – 6 Monate mit möglicher Verlängerung). Ihnen gilt die aktuelle Kölner Aktion „Schulplätze für alle“, die sich dafür einsetzt, dass die Beschulung der Kinder dieser Gruppe von Flüchtlingen schneller in Gang kommt. Viele Kinder warten bis zu 6 Monate darauf, am Unterricht in einer Kölner Schule teilnehmen zu können. Als Gründe werden angegeben: überfüllte Grundschulen, personale Engpässe im Schulamt, zu lange Wartezeiten bei der schulärztlichen Untersuchung. Alle Gründe können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt die Schulpflicht eklatant verletzt.
Eine weitere Gruppe von Flüchtlingen sind Menschen „ohne Papiere“, also ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus. Diejenigen, die dieser Gruppe angehören, sind in jeder Hinsicht ungeschützt und benachteiligt. Aus Angst aufzufallen, schicken sie ihre Kinder nicht zur Schule, gehen nicht zum Arzt, nicht zum Sozialamt. In Köln gibt es ein Netzwerk von 5 Institutionen (Caritas, Diakonie, AGISRA, Rom e.V. und Kölner Flüchtlingsrat), die diesen Menschen Beratung und Unterstützung anbieten. In Deutschland gehören zu dieser Gruppe geschätzte ½ bis 1 Mio Menschen, in Köln werden es zwischen 5000 und 10 000 Menschen sein. Ihr Ziel ist es, erst einmal eine „Duldung“ zu erreichen.
An der Spitze der (zugewiesenen) Asylbewerber stehen zurzeit generell Menschen aus der russischen Föderation und aus Syrien. Das ist auch in Köln so. Weitere größere Gruppen kommen aus dem Iran, dem Irak, aus Afghanistan, Serbien und Mazedonien. Zur Gruppe der beiden letztgenannten Ländern gehören vor allem Roma.
Für das (formale) Asylverfahren sind vor allem 3 Aspekte zu nennen:
- Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes, der das Recht auf Asyl unter bestimmten Kriterien festschreibt
- Die Genfer Konvention mit ihren Kriterien, die in der EU-Qualifikationsrichtlinie konkretisiert sind
- Abschiebungshindernisse wie die Erwartung der Todesstrafe im Herkunftsland, Krieg, eine schwere Krankheit usw.
Keine Anerkennung wird ausgesprochen, wenn ein Flüchtling Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Im Allgemeinen werden individuelle Gründe berücksichtigt, dabei geht es vor allem um die Dichte der Gründe. Verfolgung und ernsthafte Schädigung bei einer möglichen Rückkehr muss nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden. Dabei können auch Gründe wie die fehlende Ernährung, fehlende Wohnung und Arbeit und schlechte gesundheitliche Versorgung berücksichtigt werden.
Bis Oktober 2013 haben 9.427 Syrer und Syrerinnen Anträge auf Asyl in Deutschland gestellt. Im Unterschied dazu gibt es in Deutschland ein spezielles Aufnahmeprogramm, wonach 5000 Menschen aus Syrien aufgenommen werden sollen. Von ihnen sind aber bisher nur 2 Familien in Köln untergebracht worden. Diese Gruppe muss sich nicht dem üblichen Asylverfahren stellen, sondern erhält hier sofort eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.
Wie hat sich Köln auf die zunehmende Zahl von Flüchtlingen vorbereitet? Claus-Ulrich Prölß kann keine Vorbereitung erkennen, nur Ad-Hoc-Reaktionen. Bis heute gibt es keinen wirklichen Plan, kein langfristiges Konzept für die Unterbringung von Flüchtlingen. Auch eine ausreichende soziale Betreuung der Flüchtlinge ist nicht in Sicht. Die jetzt von der Stadt geplanten Container sind ohne abgeschlossene Wohneinheiten, die Belegung ist zu hoch (mehr als 80 Personen). Mindeststandards werden nicht eingehalten. Notwendig sind aber abgeschlossene Wohneinheiten mit Mindeststandards, die sich über das ganze Stadtgebiet verteilen. Das hat auch der Bezirksbürgermeister von Kalk noch einmal deutlich angemahnt.
Seit 10 Jahren ist der „Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“ aktiv. Hier arbeiten Initiativen, Institutionen und die Stadt eng zusammen. Offensichtlich hat sich im Laufe der Zeit eine positive Gesprächskultur entwickelt. Probleme gibt es eher bei der konkreten Bearbeitung in der unteren Ebene.
Die Sensibilität gegenüber Flüchtlingen, die in Köln immer wieder zu finden ist, fehlt leider in den Gremien der EU völlig. Hier bastelt man emsig an einem Überwachungssystem, das jegliche „unerlaubte“ Einreise unterbinden soll. Noch 2013 soll eine Verordnung verabschiedet werden, nach der FRONTEX die Flüchtlingsschiffe zurückdrängen kann. Seit 1988 sind im Mittelmeer ca. 12000 Menschen ertrunken – z. T. durch unterlassene Hilfeleistungen oder sogar bewusste Forcierung des Untergangs von Schiffen. Die Bundesrepublik Deutschland ist daran nicht unschuldig, hat sie doch in der EU eine gewichtige Stimme. Allerdings nutzt sie ihre Bedeutung nicht für die Flüchtlinge, sondern gegen sie und tritt in der EU für eine restriktive Grenzsicherung ein. Die Festung Europa ist immer noch das erklärte Ziel der EU und mit ihr der Bundesrepublik.
Das Gespräch führte Michael Kellner vom Kölner Friedensforum